Hexen im Oberland

Hexen im Oberland Hexenprozesse im Oberland ... im Wandel der Zeit "Teufelstanz" – das Theaterstück

Damals wie heute

Mit „Hex, hex“ treibt Bibi Blocksberg seit 1980 farbenfroh und rotzfrech Unsinn in Millionen Kinderzimmern, und auch 68 Jahre nach dem Erscheinen des Klassikers von Otfried Preußler wissen noch Mädchen und Buben, dass die kleine Hexe erst 127 Jahre alt ist. Von der wohl berühmtesten Hexe der modernen Literatur nicht zu reden: Hermine Granger, die Heldin der Harry-Potter-Reihe … klug, mutig, emanzipiert, in vielen Bereichen besser als die männlichen Protagonisten. Sie verkörpert einen neuen Typ der Hexe: kein verfolgtes Opfer, vielmehr eine selbstbewusste junge Frau.

Im 20.Jahrhundert hat sich das Verständnis von Hexen und ihrem Tun gewandelt. Sie fliegen nicht mehr nur mit Besen durch die Lüfte oder reiten auf Ziegenböcken. Das Bild der zauberkundigen Frauen ist vielschichtiger geworden. Das geht einher mit der Frauenbewegung in den 1960er- und 1970er-Jahren. Hexen verkörpern nicht mehr das Böse schlechthin. Sie wurden und werden nicht mehr als Verderben bringende „Femmes Fatales“ gesehen, sondern unter anderem als Heilkundige mit einem großen Wissen um die lindernde Wirkung von Kräutern.

Hexenprozess im Werdenfels

Zeitraum: 1589 - 1591

Verurteilte: 50 Frauen und 1 Mann

Opfer: 49 Hinrichtungen in Garmisch

Opfer insgesamt: 178 Personen

Verurteilung durch: Caspar Poißl von Atzenzell (Pfleger in der Grafschaft)

Begutachtung durch: Jörg Abriel (Schongauer Scharfrichter und Hexenfinder)

Ausnahmen bestätigen die Regel: Es gibt sie noch, jene Hexen die als übermächtige Bösewichte etwa in Filmen wie „The Witch Hunter“ ihr Unwesen treiben oder – ebenfalls aus dem Harry-Potter-Kosmos – wie die unberechenbare Bellatrix Lestrange Todesflüche aussprechen.

Der Glaube an Hexen reicht bis in die griechische Antike zurück. Hekate ist die Göttin der Magie. Sie inspirierte Shakespeare zu den drei Hexen in „Macbeth“. Und Odysseus hätte früher seine Heimat Ithaka wiedergesehen, wenn er nicht auf Circe getroffen wäre. Die Zauberin und Herrin der Insel Aia verwandelt seine Gefährten in Schweine und lässt den Helden mithilfe eines Zaubertranks vergessen, dass zu Hause Weib und Kind warten.

Was sich in Kunst, Musik, Literatur und Film seit der Antike, Shakespeare, den Gebrüdern Grimm und J.K. Rowling gut verkaufen ließ, sorgt auch heutzutage für Umsatz. Hexen fördern den Tourismus. Sie haben an ihrer Faszination nichts eingebüßt. Die Stadt Schongau wirbt mit ihrer dunklen Vergangenheit. Das Gedenken an die Opfer geht mit fröhlichen Markttreiben und Kürbiswettbewerben einher. Im Harz ist die Walpurgisnacht mittlerweile ein Spektakel mit Feuershows, Tanz und mehr.

© Wikipedia / by unknown author contemporary artist

Jagd auf Hexen nimmt zu: Opfer in 46 Ländern

Diese Kommerzialisierung ist ein Balanceakt, der sich auch in den Romanen der britischen Schriftstellerin J.K. Rowling wiederfindet. Dort wird berichtet, dass sich Hexen mehrmals auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließen, weil dies so schön „geprickelt“ habe. Durch einen Schutzzauber konnten ihnen die Flammen nichts anhaben. Eine Verharmlosung, die der Qualen der Opfer der Hexenverfolgung, die zwischen 1550 und 1650 ihren Höhepunkt in Europa erreichte, spottet.

Insbesondere Witwen und unverheiratete Frauen waren Freiwild. Sie waren Sündenböcke für alles, was sich Menschen nicht erklären konnten. Wurde das Vieh krank, hatte die verhasste Nachbarin die Tiere mit einem bösen Zauber belegt. Angst und Denunziation waren der Nährboden für Gerichtsverfahren, in denen Menschen ohne Beweise schuldig gesprochen und hingerichtet wurden - und sind es bis heute.

Wer glaubt, dass diese Form der Verfolgung der Vergangenheit angehört, irrt. Das katholische Hilfswerk missio hat dieses Jahr einen Bericht veröffentlicht. Darin heißt es, dass seit 1960 mehr Frauen dem Hexenwahn zum Opfer gefallen seien als in der frühen Neuzeit. 2025 wurden Gewalttaten gegen vermeintliche Hexen in 46 Ländern dokumentiert.

Das Hilfswerk betont, dass die Stigmatisierung und Verfolgung von Frauen und Mädchen zugenommen habe – insbesondere in Ländern wie Indien, Papua-Neuguinea, Benin, Ghana, Tansania und Niger. In Ghana etwa leben Hunderte Frauen in sogenannten Hexencamps, isoliert von der übrigen Bevölkerung.

Missio beruft sich auf den Kölner Historiker Werner Tschacher. Ihm zufolge wurden seit 1960 weltweit mindestens 55.000 Menschen wegen des Verdachts der Hexerei getötet. Die Dunkelziffer ist hoch.

Wie bei der Hexenverfolgung im 15. bis 18. Jahrhundert sind die Auslöser für den zeitgenössischen Hexenwahn existenzielle Ängste: Klimakrise, Ressourcenkämpfe, Epidemien und Hunger rufen nicht das Beste im Menschen hervor. Wie vor Hunderten Jahren suche sich eine unter Druck geratene Gesellschaft Schuldige für ihre Not, so Tschacher.

Forscherinnen und Forscher sehen in der Hexenverfolgung – damals wie heute – auch eine Form des Femizids. „Hexenprozesse und die aus ihnen hervorgegangenen Hinrichtungen können durchaus als ein Instrument zur Unterwerfung von Frauen als vermeintlich subversive Kräfte innerhalb der frühmodernen Gemeinwesen – und damit durchaus auch als Femizide – verstanden werden“, schreibt die Historikerin Claudia Opitz-Belakhal in ihrem Buch „Hexenverfolgung – Ein historischer Femizid?“.

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat bereits 2021 eine Resolution verabschiedet, die alle Staaten dazu aufruft, jegliche Gewalt, die aus einer Anschuldigung der Hexerei rührt, zu beenden und besonders gefährdete Menschen zu schützen. Stigmatisierung, Verbannung, Verstümmelungen, Verbrennung und Folter werden scharf verurteilt. Organisationen wie das Hilfswerk missio versuchen, der seit der Covid-19-Pandemie zunehmenden Hexenverfolgung mit Aufklärungskampagnen entgegenzuwirken.                                                                                               

In Deutschland erinnern inzwischen Städte und Gemeinden an die unschuldig hingerichteten Frauen, Männer und Kinder mit Gedenktafeln und – stätten. Vielerorts wurden die Opfer der Hexenverfolgung posthum rehabilitiert. Im Haus der Geschichte in Dinkelsbühl ist eine Dauerausstellung zum Thema zu sehen.                               

Text von Alexandra Vecchiato

Aktuelles

Schaurig-Schön

Ein vielseitiges Programm erwartet die Besucher bei der diesjährigen Schongauer Hexennacht. Sie findet am Freitag, 31. Oktober, von 15 bis 22 Uhr statt. Die Altstadt verwandelt sich in einen Ort voller Magie. Kulinarisches und Kulturelles wird ebenso geboten wie Spaß und Spiel für Kinder und Junggebliebene mit einem Kürbiswettbewerb und einer Hexen-Rallye.

Wie jedes Jahr werden die kreativsten und schönsten Kürbisse von den Hexennacht-Besuchern prämiert. Die geschnitzten Meisterwerke können bis 18 Uhr abgegeben werden. Prämierung ist um 20.45 Uhr.

Es gibt diverse Führungen, angefangen um 15 Uhr mit der Familien-Erlebnisführung „Entdecke Schongau mit Schohu“. Im Kasselturm verrät Kräuterhexe Ursula Engelwurz Wissenswertes über die Heilkräfte von Schafgarbe, Goldrute und Co.

Die Geschäfte in der Altstadt sind bis 20 Uhr geöffnet. Von 17 bis 22 Uhr legt DJ Charly am Marienplatz auf.

Weitere Informationen im Internet unter schongauer-hexennacht.de.

© Eduard Wagner / Schongauer-Hexennacht

© Veronika Graf
Burgruine Werdenfels

Hexenglaube an der alpinen Grenze

Im späten 16. Jahrhundert verwandelten sich die stillen Täler Oberbayerns in Orte des Schreckens. Zwischen 1589 und 1591 erlebte die Grafschaft Werdenfels – ein kleines geistliches Territorium unter der Herrschaft des Hochstifts Freising – eine der heftigsten Hexenverfolgungen im Alpenraum.

Mehr als 127 Menschen wurden angeklagt, 51 hingerichtet – 50 Frauen und ein Mann. Die Opfer stammten überwiegend aus Garmisch (33), Partenkirchen (11) und Mittenwald (7).
Obwohl zahlenmäßig kleiner als die großen Hexenwellen von Würzburg oder Bamberg, verdeutlicht Werdenfels eindrücklich das Zusammenspiel von sozial-ökonomischem Druck, politischer Machtkonzentration und religiösem Eifer, das die europäische Hexenhysterie antrieb.

„Im Januar 1592 trug Poißl … vor, dass ein Großteil aller Frauen in der Grafschaft in den Verdacht der Hexerei geraten würden, falls man allen Denunziationen nachginge!”

Ein Land zwischen den Welten

Die Grafschaft Werdenfels lag auf der Handelsroute von Augsburg nach Venedig. Sie war zugleich abgeschieden und doch mit der Außenwelt verbunden – ein Gebiet zwischen Bergbauernwirtschaft und Fernhandel, zwischen Volksglauben und kirchlicher Gerichtsbarkeit.

Politische Ordnung: Freisinger Bischof Emicho, Hochstift Freising; der örtliche Pfleger vereinte Verwaltungs- und Hochgerichtsbarkeit.


Bevölkerung (ca. 1590): 4.500 – 5.500 Einwohner


Wirtschaft: Landwirtschaft, Viehzucht, Holzhandel, Transportdienste für den Alpenverkehr.

Religion: Streng katholisch, aber durchdrungen von Volksglauben: Wetterzauber, Heilrituale, „Blaser“ (Volksheiler).

Ursachen der Hexenprozesse

Soziale Ursachen

Die dichten Dorfgemeinschaften des Werdenfelser Landes boten Geborgenheit – und Misstrauen. Alte, verwitwete oder unbequeme Frauen – oft Hebammen oder Kräuterfrauen – wurden leicht zur Zielscheibe, wenn Unheil geschah.

Nachbarschaftsstreit, Neid und Gerüchte bildeten den Nährboden der Verfolgung; Der Glaube an das Übernatürliche verlieh der Angst moralische Legitimation.

© Wikipedia / R. Decker - File:Zeitung Derenburg 1555
„In vielen Naturerscheinungen – im Föhn, im Hagel, in der Krankheit – sah man das Spiel des Teufels.“

Wirtschaftliche Ursachen

In den 1580er-Jahren trafen Missernten, Viehseuchen und Unwetter das Land. Der Transitverkehr brachte weniger Einnahmen; Hunger und Not führten zu Schuldzuweisungen.
Hinzu kam ein fragwürdiger Rechtsbrauch: Das bewegliche Vermögen der Hingerichteten fiel an den Landesherrn, nicht an deren Erben – ein finanzieller Anreiz für weitere Prozesse.

Verschiedene Ereignisse zogen gesellschaftliche Folgen nach sich:

Ernteausfälle, Hagel: führte zu Hunger, was Hexenverdacht nach sich zog

Viehseuchen: Angst vor „Milchhexen“

Preisverfall, Handelsrückgang: Spannungen, Neid, soziale Entladung

Güterkonfiskation: Bereicherung der Obrigkeit, Verarmung der Familien

Politische Instrumentalisierung

Der Pfleger Caspar Poißl war Richter und Vollstrecker zugleich.
Die Prozesse ermöglichten es ihm, staatliche Macht sichtbar zu machen.
Allerdings war er sich der Gefahr bewusst: Im Januar 1592 trug Poißl vor, dass ein Großteil aller Frauen in der Grafschaft in den Verdacht der Hexerei geraten würden, falls man allen Denunziationen nachginge!
Die Justiz, die Ordnung schaffen wollte, drohte an ihrer eigenen Dynamik zu zerbrechen.

Religiöse Ursachen

Im streng katholischen Bayern galt Hexerei als Ketzerei und Teufelspakt.
Das Hochstift Freising verstand die Verfolgung als geistlichen Auftrag.

All dies geschah im Zuge der protestantischen Reformation und im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges. Die Kirche in Rom überschüttete Süddeutschland mit Kunstwerken, Reliquien, Gold und orthodoxer Propaganda, um dem Aufstieg des Protestantismus entgegenzuwirken. Man kann dies mit den späteren Bemühungen des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn in Würzburg vergleichen.

Scheiterhaufen
© imago stock&people

Die „peinliche Befragung“, also die Folter, galt als legitimes Mittel, um ein „reinigendes“ Geständnis zu erzwingen. Die Verbrennung stellte vermeintlich die göttliche Ordnung wieder her. Dieses Verfahren wurde am 20. und 30. Oktober 1589 von der Regierung (dem Bistum) offiziell genehmigt.

Darüber hinaus blieb der Volksglaube stark: Trotz der Christianisierung hielten sich Vorstellungen über übernatürliche Eingriffe (z. B. Föhnwind, Hagelstürme – verursacht durch Dämonen) und lokale Heiler oder „Blaser” (Volksheiler) hartnäckig. Sie begünstigten den Verdacht,  Hexerei könnte im Spiel sein.

Ökologische Auswirkung

Die Zeit der Werdenfelser Hexenprozesse fiel mit dem Beginn der sogenannten Kleinen Eiszeit in Europa zusammen. Während dieser Zeit (16. bis 19. Jahrhundert) war das Wetter chaotisch und unerbittlich, was zu Ernteausfällen, Hunger, wirtschaftlichen und sozialen Spannungen und sogar zu Krankheitsausbrüchen führte. Aufgrund dieser Belastungen kam es auch zu einer Zunahme von Gewalt auf dem gesamten Kontinent. In einer Zeit, in der Alphabetisierung und wissenschaftliches Verständnis fast nicht existierten, suchten die Menschen nach übernatürlichen Erklärungen. Es war die Aufgabe der Kirche, das Volk zu beruhigen und alles Notwendige zu tun, um die Gesellschaft zu besänftigen.

„Das Zusammenfallen von Aberglauben, Armut und obrigkeitlicher Kontrolle machte das Land zur hochexplosiven Zone – bereit, in Flammen aufzugehen.“

© Wikipedia / Jan Jakub Wick, Volné dílo

Hexen in der Umgebung – hier weiterlesen

© Wikipedia / R. Decker - File:Zeitung Derenburg 1555

Hexenprozesse Garmisch

Hexenprozesse Garmisch

Hexenprozesse Garmisch

Hexenprozesse Garmisch
© BR / Nina Schlesener

Hexenprozesse Schongau

Hexenprozesse Schongau

Hexenprozesse Schongau

Hexenprozesse Schongau

Folgen und Ende

Gesellschaftlich-demografisch
  • Familien verloren Besitz, Ehre und Zukunft.

  • Angst und Denunziation vergifteten das Gemeinschaftsleben.

Wirtschaftlich

Während die Beschlagnahmungen die Schatzkammer des Bistums bereicherten, beeinträchtigten die Prozesse die lokale Produktivität. Erfahrene Hebammen, Molkereiarbeiter und Kräuterkundige wurden hingerichtet – wodurch das soziale Kapital, von dem das ländliche Leben abhing, untergraben wurde. Man muss auch die Kosten für die Inhaftierung und Verpflegung der Angeklagten, die Unterbringung von Gerichtsvollziehern und Sachverständigen sowie die Hinrichtungen selbst berücksichtigen. Diese wirtschaftlichen Folgen trugen ebenfalls dazu bei, dass die Prozesse beendet wurden.

Politisch

Der Beinahe-Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung zwang die Regierung in Freising, den Prozess einzudämmen. Als 1607 neue Anschuldigungen auftauchten, verbot das Bistum ausdrücklich weitere Strafverfolgungen – in Anerkennung der moralischen und politischen Kosten.

Religiös-kulturell

Die Beteiligung der Kirche hinterließ einen langen Schatten. Obwohl sie zur Durchsetzung der Orthodoxie gedacht waren, untergruben die Hexenverfolgungen letztendlich das Vertrauen in die kirchliche Autorität.

Mitte des 17. Jahrhunderts führten Juristen der Aufklärung Werdenfels als warnendes Beispiel für Aberglauben und ungezügelte kirchliche Macht an.

Bereich

Hauptursachen

Zentrale Folgen

Sozial

Geschlechterrollen, Gerüchte, Nachbarschaftsneid

Stigmatisierung, Verlust von Vertrauen

Wirtschaft

Hunger, Seuchen, Besitzkonfiskation

Verarmung, Arbeitskräftemangel

Politisch

Machtkonzentration des Pflegers

Legitimitätsverlust, Prozessstopp

Religiös

Gegenreformation, Dämonologie

Zweifel an kirchlicher Gerichtsbarkeit

Lehren aus Werdenfels

Die Werdenfelser Hexenprozesse waren kein Zufall, sondern ein Brennglas frühneuzeitlicher Ängste.
Sie zeigen, wie Furcht und Frömmigkeit, Not und Macht, Recht und Aberglaube ineinandergriffen und eine Gesellschaft in Brand setzten.

Heute erinnern stille Denkmäler in Garmisch, Partenkirchen und Schongau an die Opfer.
Ihr Schweigen ist das letzte Urteil:
Furcht, ungebremst, verbrennt mehr als nur Menschen.

© Wikipedia / Isaac de Castro Tartas

Text von Rick Albrecht

Bilder

Zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert gerieten im Bayerischen Oberland zahlreiche Menschen unter den Verdacht, mit dunklen Mächten im Bunde zu stehen. Vor allem Frauen wurden beschuldigt, Wetterzauber zu wirken, Krankheiten zu verursachen oder mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Der Hexenwahn forderte auch in der Grafschaft Werdenfels viele Opfer – und ist bis heute Mahnung und Erinnerung.
Stichworte/Tags: Geschichte, Glaube, Aberglaube

© Francisco de Goya

Historische Entwicklung

bis 500 n. Chr.: Frühgeschichte & Antike

Magische Praktiken, Heilrituale und Naturglauben prägten das Leben. Frauen mit Heilwissen wurden verehrt – nicht verfolgt.

500-700 n. Chr.: Frühmittelalter

Christianisierung im südlichen Bayern. Alte Bräuche und Naturkulte geraten zunehmend in den Verdacht, „heidnisch“ zu sein.

700-900 n. Chr.: Kapitularien & Kirchengesetze

Erste kirchliche Verbote gegen Zauberei und „heidnische Praktiken“. Noch keine systematischen Hexenprozes

um 900: Der "Canon Episcopi"

Die Kirche erklärt Hexenglauben offiziell als Aberglauben. „Hexenflüge“ gelten als Einbildungen – Verfolgungen bleiben noch aus.

1000-1250: Hochmittelalter

Regionale Zauberei- und Schadenszauberprozesse nehmen zu. Im Oberland bleiben diese noch selten und meist lokal begrenzt.

1250-1450: Spätmittelalter

Gesellschaftliche Krisen (Pest, Hungersnöte) verstärken die Angst vor Zauberei. Erste Hinweise auf Prozesse im Alpenraum.

1435: Erste Hinrichtungen wegen Hexerei in der Schweiz

Das Nachbarland wird zu einem frühen Zentrum der Hexenprozesse. Entwicklungen strahlen auch nach Bayern aus.

1450-1500: Frühe Neuzeit - Aufstieg der Hexenverfolgung

Verstärktes Misstrauen gegenüber „anderen“: Heilkundige, Außenseiterinnen und Arme geraten ins Visier.

1487: Veröffentlichung des „Hexenhammers“

Das Werk befeuert auch in Bayern den Hexenglauben. Es wird zur Grundlage für zahlreiche Prozesse.

1500-1600: Ausbreitung & Eskalation

Im Oberland entstehen erste größere Prozesse. Hunger, Seuchen und Wetterkatastrophen liefern Nährboden für Anschuldigungen.

1589: Hexenverfolgung in der Grafschaft Werdenfels

In dem Zeitraum 1560-1650 war der Höhepunkt der Hexenverfolgungen - auch im Oberland. In der Werdenfelser Region sind 51 Opfer bekannt, die allein zwischen 1589 und 1591 hingerichtet worden sind.

1590-1610: Lemgo - Zentrum der Hexenverfolgung

Während im Norden Europas Lemgo berüchtigt wird, dauern im Oberland die regionalen Prozesse an.

1600-1650: Höhepunkt der Hexenverfolgung

Im südlichen Bayern (aber nie wieder in Werdenfels) kommt es zu massiven Wellen von Anklagen. Viele Prozesse enden tödlich.

1616-1617: Würzburger Verfolgungen

Zeitgleich zu den Massenhinrichtungen in Franken verschärfen sich auch die Verdächtigungen in Oberbayern.

1626-1631: Bamberger “Malefizhaus”

Ein Symbol der systematischen Hexenverfolgung. Auch in Oberbayern entstehen Folterkammern für Geständnisse.

1631: Kritik durch Friedrich Spee „CAUTIO CRIMINALIS“

Erstmals wird öffentlich die Grausamkeit der Hexenprozesse kritisiert. Dennoch dauern die Verfahren im Oberland noch Jahrzehnte an.

1650-1775: Rückgang und letzte Prozesse

Die Verfolgungen gehen zurück. Einzelne Verfahren gibt es aber noch, etwa in kleineren Orten des Oberlands. Allerdings, aufgrund der Schwere der früheren Hexenprozesse in Werdenfels erlaubten die Behörden in Freising jedoch keine weiteren Prozesse in der Region.

1782: Hinrichtung von Anna Göldi (Schweiz)

Die „letzte Hexe Europas“ – ein Zeichen, dass die Ära der Verfolgungen auch im Alpenraum endgültig endet.

1843: Erste wissenschaftliche Studien (Soldan & Heppe)

Hexenprozesse werden historisch aufgearbeitet. Im Oberland erinnert man sich zunehmend kritisch an die Opfer.

1900-1950: Hexen in Märchen und Romantik

Die grausame Realität der Hexenverfolgung wird verklärt und in Sagen und Märchen verarbeitet.

1970er: Hexen als feministische Figuren

Die Hexe wird zur Symbolfigur weiblicher Selbstbestimmung und Emanzipation.

1980: Start von “Bibi Blocksberg”

Hexen wandern in die Popkultur – von der Angstfigur zur Kinderheldin.

1997: “Harry Potter” erscheint

Magie wird weltweiter Unterhaltungstrend, Hexerei erhält ein positives Image.

2000er: Städte setzen Gedenksteine

Auch in Bayern erinnern Denkmale an die Opfer der Hexenprozesse.

2020-heute: Spirituelles Comeback

Hexenmythen, Kräuterkunde und Naturspiritualität erleben eine neue Wertschätzung – auch im Oberland.

freies-theater-murnau

Handlung

„Teufelstanz“ ist ein eindrucksvolles Freilufttheaterstück, das ein erschütterndes Kapitel der Regionalgeschichte lebendig werden lässt: die Hexenverfolgungen in der Grafschaft Werdenfels im Jahr 1589. Mit historischer Tiefe und emotionaler Wucht erzählt das Stück vom Entstehen kollektiver Angst, vom Suchen nach Schuldigen in Zeiten der Not – und vom tragischen Schicksal unschuldiger Menschen. Die Handlung entfaltet sich in einem kleinen Ort im Bayerischen Oberland, wo sich Unwetter, Missernten und Krankheit häufen. Die Bevölkerung sucht verzweifelt nach Erklärungen – und findet sie in den eigenen Reihen: bei Frauen, die anders sind, die heilen, helfen oder einfach nur allein leben.
Die Geschichte begleitet mehrere Figuren, die unter Verdacht geraten: eine alte Kräuterfrau, eine Fremde mit unbekannten Bräuchen, eine junge Mutter ohne Ehemann. Aus anfänglichem Misstrauen entwickelt sich ein Netz aus Gerüchten, Neid und Angst. Der gesellschaftliche Druck steigt, und unter dem Deckmantel des Glaubens nimmt eine Spirale der Gewalt ihren Lauf. Der vermeintliche Kampf gegen das Böse wird zur Bühne für tiefe soziale Spannungen, Ängste und die zerstörerische Macht der Ausgrenzung. „Teufelstanz“ zeigt eindrucksvoll, wie schnell sich eine Gemeinschaft in ein Instrument der Verfolgung verwandeln kann – und wie aktuell dieses Thema bis heute ist.

Inszenierung

Die Aufführung findet open-air in der Murnauer Altstadt statt. Das Publikum bewegt sich mit dem Spiel durch verschiedene Stationen. Die Inszenierung legt besonderen Wert auf Nähe, Authentizität und die emotionale Wucht der Ereignisse. Regie führt Chiara Nassauer, die das Stück gemeinsam mit dem Ensemble entwickelt hat.

Infos zum Stück

Dauer: ca. 90 Minuten
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Sprache: klar und verständlich, auch für Schulklassen geeignet
Aufführung: Murnau Schlossplatz - Juli/August 2025
Veranstalter: Freies Theater Murnau (www.freies-theater-murnau.de/)

Das Freie Theater Murnau

Das Freie Theater Murnau ist eine engagierte, nicht kommerzielle Bühne, die mit Leidenschaft, Kreativität und regionalem Bezug Kultur lebendig macht. Mit seinen Inszenierungen bringt das Ensemble nicht nur klassische Stoffe und moderne Themen auf die Bühne, sondern beleuchtet auch die Geschichte und Geschichten des Bayerischen Oberlands – oft direkt vor Ort in historischen Kulissen. Besonders bekannt ist das Theater für seine atmosphärischen Freiluftaufführungen in der Murnauer Altstadt, bei denen Publikum und Schauspielende ein gemeinsames Erlebnis teilen. Hier wird Theater greifbar, berührend – und immer ein bisschen anders.

© Joseph Tomanek

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Quellen

Hexenprozesse in der Grafschaft Werdenfels, Wikipedia (DE).

Hubert Vogel, Der große Schongauer Hexenprozess und seine Opfer 1589–1592.

Bernhard Her, Schongauer Hexenprozess 1589–1592 (2002).

Historisches Lexikon Bayerns: „Hexenverfolgungen in Bayern“.

Anton-Praetorius-Stiftung, Namenslisten der Hexenopfer in Bayer

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